Was bedeutet DEI für Rotary? Ein Roundtable
Rotary setzt auf Vielfalt, Chancengleichheit und Willkommenskultur. So etwa kann man die drei Buchstaben, die auf Englisch Diversity, Equitiy und Inclusion bedeuten, ins Deutsche übertragen. Ein Roundtable unseres Distrikts widmete sich ausführlich diesem Thema. Governor Renate Dendorfer-Ditges hatte dazu zwei profilierte Gäste als Redner und Rednerin eingeladen: Urs Klemm, RI Direktor Elect und PDG des Distrikts 1980 sowie Lamya Kaddor, bekannte Islamwissenschaftlerin, Publizistin und islamische Religionspädagogin.
Urs Klemm widmete sich zunächst der Frage, was mit DEI genau gemeint ist und was die drei Buchstaben für Rotary bedeuten. Er erinnerte daran, dass sich diversity, equitiy und inclusion bereits in den traditionellen rotarischen Grundwerten und Leitlinien widerspiegeln, wie etwa Vielfalt, Dienst und Freundschaft. Allerdings gibt es da noch vieles zu tun. Dies soll in einem rotarischen action plan angestoßen werden.
So bedeutet Diversität durchaus mehr als bloße Vielfalt und steht in engem Zusammenhang mit equity (Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit) und Inklusion.
In der Praxis stellt sich in diesem Zusammenhang zum Beispiel die Frage, ob eine ausgewogene Zusammensetzung der Clubs nur darin bestehen kann, möglichst viele Berufsqualifikationen zusammen zu bringen. Zur Inklusion gehört, dass nicht nur Menschen aus allen Lebensbereichen eingeladen werden, sondern, dass sie sich in ihrem Club auch willkommen fühlen. Zu viele Austritte sind darauf zurückzuführen, dass die Betroffenen sich nicht wirklich wohlfühlen.
Clubs – auch das gehört zur Tradition – haben ihre eigene Identität. Es gibt auch in Zukunft kein Recht auf Aufnahme. Es geht weiterhin um Qualität bei der Aufnahmepolitik. Aber was bedeutet Qualität? Sie sollte nicht exklusiv verstanden werden, sondern jede für die Gesellschaft nützliche Tätigkeit als wertvoll anerkennen.
Diversität bedeutet zudem, auf eine möglichst ausgewogene Zusammensetzung der Clubs zu achten. Sie bedeutet, Minderheiten zu berücksichtigen. Sie bedeutet Internationalität und Völkerverständigung auch auf Club-Ebene. Und sie bedeutet, mehr Frauen willkommen zu heißen, und sich auch außerhalb der Clubs und international für die Rechte der Frauen und Mädchen einzusetzen. Und sie bedeutet, offen für junge Menschen zu sein. Zur Diversität im Club gehört auch der freie und offene Meinungsaustausch, freundschaftliche Meinungsvielfalt, der nicht gleich mit einer Moralkeule begegnet wird.
Inklusion hat auch eine internationale Dimension, etwa bei Projekten in anderen Ländern. Sie bedeutet, dass man solche Projekte stets intensiv mit der Bevölkerung vor Ort abspricht und nicht, ohne viel zu fragen, von oben herab handelt. Im engen Dialog entstehen gute Projekte, die nachhaltig wirksam sein.
Insgesamt gilt: die rotarische Außenwirkung hängt vom rotarischen Handeln im Sinne von DEI ab.
Unserem Distrikt gratulierte Urs Klemm, auf diesem Weg beachtliche Fortschritte gemacht zu haben, auf denen weiter aufgebaut werden kann.
Aus einer ganz anderen Perspektive widmete sich Lamya Kaddor dem Thema. Die in Deutschland geborene Islamwissenschaftlerin hat 2010 den Liberal-Islamischen Bund gegründet und sich in mehrfach ausgezeichneten Veröffentlichungen mit der Rolle des Islam in Deutschland und dem Verhältnis Deutschlands zum Islam auseinandergesetzt.
Die erste Frage, die sie zum Thema Diversität und Inklusion stellte, lautete: Was ist eigentlich deutsch? Was ist die sogenannte Leitkultur, über die viel gesprochen wird, die aber kaum je näher erläutert wird? Die Zeit, in der deutsch mit Bier, Sauerkraut und Volksmusik gleichgesetzt werden konnte, ist längst vorbei, wenn es sie jemals gab.
Es gibt sicher eine Mehrheitsgesellschaft, aber Deutschland ist in den vergangenen 70 Jahren immer mehr zu einer Gesellschaft der Minderheiten geworden. Deutsch ist nicht, wer deutsche Eltern hat. Das nannte sie nicht nur eine perverse Vererbungsüberlegung, sondern auch einen Selbstbetrug. Sie erinnerte an ihre arabischen Eltern und nannte Deutschland ihre Heimat. Das muss Deutschland, sagte sie, mehr als bisher anerkennen, denn unsere Gesellschaft wird noch bunter. Und diese Diversität nannte sie eine Stärke Deutschlands. Unter Patriotismus in Deutschland versteht sie Verfassungspatriotismus. Das bedeutet zugleich, dass die Verfassung für alle gilt, die in Deutschland leben.
Zur Stärke der Diversität gehört auch, dass Menschen zwei Sprachen haben. Zweisprachigkeit ist gut. Ebenso kann man zwei Heimaten haben. Sie verglich das Deutschland von heute mit einem großen Tisch, an den sich neue Leute dazugesellen. Dadurch soll niemand verdrängt werden, vielmehr sollen alle einfach etwas enger zusammenrücken.